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Rechtzeitig Vorsorgen - Betreuung vermeiden

Der Vater meiner langjährigen Freundin Nora ist 74 Jahre alt und lebt alleine in einem Einfamilienhaus 600 km von seiner Tochter entfernt. Obwohl er gesundheitliche Probleme hat, kann er sich bislang um seinen Alltag und seine geschäftlichen Angelegenheiten immer selbst kümmern. Einem Gespräch mit Tochter Nora zum Thema Vorsorgemöglichkeiten ist er immer ausgewichen. Nun steht bei ihm eine größere Operation bevor und er macht sich Gedanken, was passieren würde, wenn er nach der Operation seine Dinge nicht mehr selbst regeln kann. Ausschlaggebend war eine ähnliche Lebenssituation einer Nachbarin, die aufgrund eines plötzlichen Schlaganfalls nicht mehr entscheidungsfähig ist und nun vom Gericht einen rechlichen Betreuer zugewiesen bekommen hat. Noras Vater versteht nicht, warum das passieren kann, wenn eigene Kinder da sind, die doch entscheiden und unterschreiben können. Er hat Nora und mich um einen Besuch gebeten und möchte gerne wissen: wann wird eine Betreuung gerichtlich eingerichtet? Wie kann er vorsorgen, damit das nicht passiert? Benötigt er dazu Unterstützung eines Notars oder Anwalts?

 

Kinder und Partner*innen können nicht automatisch die Interessen von Betroffenen übernehmen und Entscheidungen für sie treffen. Sollte keine eigene Willensbekundung mehr möglich sein, so richtet das Betreuungsgericht eine gesetzliche Betreuung für die notwendigen Aufgabenkreise ein.

 

Was bedeutet rechtliche Betreuung?

Rechtliche Betreuungen werden durch die Betreuungsgerichte bei den örtlichen Amtsgerichten für hilfsbedürftige Erwachsene eingerichtet, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst erledigen können.

Das Betreuungsrecht regelt in einem gerichtlichen Verfahren anhand der Lebenssituation und den Bedürfnissen der betroffenen Person, wie und in welchem Umfang vom Gericht eine rechtliche Betreuungsperson bestellt wird. Dafür werden sogenannte Aufgabenkreise festgelegt. Sofern die betroffenen Personen Bereiche noch eigenständig erledigen können, dürfen diese nicht den gesetzlichen Betreuungspersonen übertragen werden. Somit besteht die Vertretungsbefugnis nur für die zugewiesenen Aufgabenkreise.

Die Selbstbestimmung der betroffenen Person ist ein hohes Gut und muss von der gesetzlichen Betreuungsperson berücksichtigt werden. Diese werden vom Betreuungsgericht kontrolliert und müssen regelmäßige Nachweise erbringen, dass im Interesse der Betroffenen gehandelt wurde.
 

Aufgaben der Betreuung

Die gesetzliche Betreuungsperson unterstützt die betroffene Person im Rahmen der festgelegten Aufgabenkreise bei der Entscheidungsfindung. Sollte eine freie Willensbildung nicht mehr möglich sein, handelt die rechtliche Betreuungsperson stellvertretend für die betroffene Person. Die unter Betreuung stehende Person kann weiterhin wirksame Willenserklärungen abgeben und Rechtsgeschäfte eingehen, sofern keine Geschäftsunfähigkeit oder ein Einwilligungsvorbehalt vorliegt. Ist der Aufgabenkreis mit einem Einwilligungsvorbehalt versehen, so sind die Rechtsgeschäfte der betroffenen Person erst mit der Einwilligung des Betreuungsgerichts wirksam..

Aufgabenkreise aus der Praxis:

  • Gesundheitssorge (Arztwahl und  ärztliche Versorgung, Einwilligung in medizinische Maßnahmen, Organisation von ambulanter Pflege)
  • Vermögenssorge-Regeln finanzieller Angelegenheiten (Kontoverwaltung, Verwaltung des Sparvermögens, Zahlungsverkehr, Schuldenregulierung)
  • Aufenthaltsbestimmung (Pflegeeinrichtung- oder Krankenhauseinweisung)
  • Vertretung vor Behörden (Antragstellungen)
  • Wohnungsangelegenheiten (Mietzahlungen, Anträge bei Wohnungsbehörden stellen)
  • Postangelegenheiten (Entscheidung zum Fernmeldeverkehr, Post öffnen)

In einigen Aufgabengebieten muss für Entscheidungen die rechtliche Betreuungsperson die Entscheidungen von Gerichten hinzuziehen (Für die Auflösung einer Wohnung, beispielsweise wegen Umzug in eine Pflegeeinrichtung ist die Genehmigung des Betreuungsgerichtes erforderlich).

 

Wer kann rechtliche Betreuungsperson werden?

Wird eine rechtliche Betreuung eingerichtet, dann stellt sich die Frage nach einer geeigneten Betreuungsperson. Vorrangig ist vom Gesetzgeber angedacht, dass  Verwandte, Nahestehende der betroffenen Person oder auch Interessierte diese Aufgabe als ehrenamtliche Betreuungsperson übernehmen sollen. Personen, die die rechtliche Betreuung beruflich ausüben, werden vom Gericht ausgesucht und bestellt. Sie werden besonders bei komplexen Aufgaben eingesetzt. Beruflich betreuende Personen haben meist mehrere betroffene Personen um die sie sich kümmern.

 

Betreuungsvereine

Den über 800 bundesweiten Betreuungsvereinen kommt eine wichtige Rolle zu. Zum einen übernehmen hauptamtliche Betreuungspersonen gesetzliche Betreuung von Betroffenen; zum anderen bieten Betreuungsvereine ein umfangreiches Einführungs-, Fortbildungs- und Austauschangebot für ehrenamtliche Betreuungspersonen sowie für Interessierte, die Betreuungspersonen werden wollen. Hier finden Sie deutschlandweite Betreuungsvereine der AWO.

Die Betreuungsverfügung

In einer Betreuungsverfügung kann vorsorglich festgelegt werden, wer zur Betreuungsperson bestellt werden soll. Ebenfalls können Wünsche zu den Aufgabenbereichen der festgelegten Betreuungsperson geäußert werden, beispielsweise hinsichtlich der Zuwendungen an Dritte, der Heilbehandlungen oder der Unterbringung. Die Betreuungsverfügung muss schriftlich festgelegt werden und vom Betroffenen unterschrieben werden. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht notwendig, kann jedoch zur Sicherheit von der Betreuungsbehörde beglaubigt werden. Ist dem Amtsgericht die Betreuungsverfügung bekannt, wird dies bei der Entscheidung in der Regel berücksichtigt.

Die Vorsorgevollmacht

Mit dem Aufsetzen einer Vorsorgevollmacht kann jede Person schon beizeiten selbst bestimmen, wer (und wie viele) sich im Notfall, wenn die Situation eintritt um bestimmte Angelegenheiten kümmern werden.

Sie entscheiden mit Ihrer schriftlichen Vorsorgevollmacht über die einzelnen Befugnisse, die die bevollmächtigte Person haben soll, wie etwa über Entscheidungen zur medizinischen Behandlungen, die Bestimmung des Wohnortes oder Regelung der Finanzen. Auch eine digitale Vorsorge ist möglich. Mithilfe einer Übersichtsliste können Sie Ihre Accounts, mit Benutzernamen und Kennworten festlegen und an die Vorsorgevollmacht anheften.

Zum Zeitpunkt der Erteilung müssen Sie als vollmachtgebende Person geschäftsfähig sein. Die Vorsorgevollmacht muss schriftlich erfolgen. Empfohlen werden vorgefertigte anerkannte Vordrucke, die das Vollmachtspektrum und freie Formulierungen ermöglichen.

Die bevollmächtigte Person muss mit vollem Namen, Geburtstag und aktueller Adresse benannt sein. Auch die vollmachtgebende Person muss mit Angabe des Datums unterschreiben. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht nötig. Damit das Dokument zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden kann, sollte die bevollmächtigte Person eine Kopie des Originals besitzen und wissen, wo die vollmachtgebende Person die Original-Vorsorgevollmacht aufbewahrt. Nur das Original  der Vorsorgevollmacht wird anerkannt, ist aber auch sofort wirksam. Deswegen sollte die bevollmächtigte Person das Original nur im notwendigen Fall in Händen halten. Alle Vorsorgedokumente können bei der Bundesnotarkammer in einem zentralen Vorsorgeregister gegen eine Gebühr eingetragen werden.

Nora und ich sind nun vorbereitet. Wir wissen eine Vorsorgevollmacht kann in vielen Fällen eine gesetzlich angeordnete Betreuung verhindern.

Weitere Fragen? Nutzen Sie den Expertenchat zum Thema!

Am 27. Januar 2022 findet in der Zeit von 16:30 bis 18:00 Uhr ein Expert*innen-Chat zum Thema „Die gesetzliche Betreuung- Notwendig oder vermeidbar?“ statt. Interessierte können sich mit einer Expertin des AWO Bundesverbandes in einem Chat austauschen. Treten Sie einfach hier, auch ohne Registrierung bei.

Weitere Informationen

Bundesministerium für Justiz 

Bundesnotarkammer Zentrales Vorsorgeregister

Verbraucherzentrale- Boschüre zur Betreuung

AWO Pflegeberatung - Informationsblatt zu Vorsorgedokumenten 

AWO Niederrhein-Vorsorgeordner " Was wirklich wichtig ist?"

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