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04.08.2020 | Artikel

Deutsche Ratspräsidentschaft 2020

Von: Marius Isenberg

 

Am 1. Juli hat Deutschland für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Deutschland übernimmt den Ratsvorsitz in einer Zeit, in der die EU große Herausforderungen zu bewältigen hat: Die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind enorm. Der Mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 und das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ müssen ausverhandelt werden. Gleichzeitig erfordern die Klimakrise und die Flüchtlingssituation ein gemeinsames Vorgehen. Zudem sollen die Verhandlungen über ein Post-Brexit Abkommen zwischen der EU und Großbritannien bis Ende 2020 abgeschlossen sein.

 

Unter dem Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“ stellt die Bundesregierung die Bewältigung der Corona-Pandemie in den Fokus ihrer Präsidentschaft. Entsprechend spiegelt diese sich auch in der Programmplanung für die EU-Ratspräsidentschaft wider. Am 30. Juni 2020 wurde das Arbeitsprogramm der deutschen Ratspräsidentschaft vorgestellt, welches die folgenden Leitgedanken hat:

  • die dauerhafte Überwindung der Corona-Krise sowie die wirtschaftliche und soziale Erholung
  • ein stärkeres und innovativeres Europa
  • ein gerechtes Europa
  • ein nachhaltiges Europa
  • ein Europa der Sicherheit und der gemeinsamen Werte
  • ein starkes Europa in der Welt

Im Rahmen der Triopräsidentschaft wird Deutschland mit Portugal und Slowenien zusammenarbeiten, die ab 1. Januar 2021 bzw. 1. Juli 2021 den EU-Ratsvorsitz übernehmen werden.

Welche Schwerpunkte legt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft?

I. Europas Antwort auf die Corona-Pandemie

In seinem übergreifenden Programmschwerpunkt stellt der deutsche Ratsvorsitz klar, dass die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie Grundvoraussetzung für die nachhaltige Überwindung der durch sie verursachten wirtschaftlichen und sozialen Krisen ist. Folglich strebe er an, dabei die solidarische Unterstützung innerhalb der EU sowie die Bündelung aller verfügbaren Ressourcen zu koordinieren. Zugleich müsse die Union die richtigen Schlüsse aus der Pandemie ziehen und sich durch die Ertüchtigung aller Facetten des EU-Krisenmanagements besser auf künftige Gefahren vorbereiten. Die ökonomische und soziale Krisenbewältigung rückt er ins Zentrum seiner Anstrengungen und kündigt an, eine nachhaltige und inklusive Wachstumsstrategie zu verfolgen, die sowohl auf eine Erholung der Wirtschaft und die Sicherung von Arbeitsplätzen als auch auf den sozialen Zusammenhalt in Europa zielt. Hierbei sollen der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft auf der Grundlage des sog. European Green Deal und die digitale Transformation eine wesentliche Rolle einnehmen. Ohne ausdrücklichen Verweis auf das deutsch-französische Konzept für einen Wiederaufbaufonds, das von der Europäischen Kommission mit ihrem Vorschlag für einen Europäischen Aufbauplan aufgegriffen wurde, kündigt die Präsidentschaft an, sich für die zügige Schaffung eines befristeten und fokussierten Aufbauinstruments einzusetzen, das in die mehrjährige Haushaltsplanung der Union eingebunden und im Rahmen des Europäischen Semesters umgesetzt wird. Zugleich unterstreicht sie die wichtige Funktion der EU-Strukturfonds bei der Abfederung der Pandemiefolgen und als Stimulus für den Wiederaufschwung in den Regionen der EU.

II. Ein stärkeres und innovativeres Europa

In seinem wirtschaftspolitischen Arbeitsschwerpunkt formuliert der Ratsvorsitz seine Vision einer adäquaten Antwort auf die Pandemiefolgen, die er auch als Chance für eine beschleunigte nachhaltige und digitale Transformation betrachtet. Danach umfasst dieser Wandel hin zu einem innovativeren Europa drei Elemente: den Ausbau der digitalen Souveränität Europas, insbesondere in den Feldern Schlüsseltechnologien und Dateninfrastruktur, und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch den Ausbau des Binnenmarkts, die Fortentwicklung der Industrie- und KMU-Strategie der Kommission und durch die Modernisierung des EU-Beihilferechts sowie schließ-lich die Schaffung einer nachhaltigen Finanzmarktarchitektur, die Sicherung einer stabilen Finanzpolitik und die Herstellung von Steuergerechtigkeit.

III. Ein gerechtes Europa

Für ihre dritte, sozialpolitische Programmsäule richtet die Ratspräsidentschaft den Fokus auf die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der sozialen Sicherheit und der Solidarität. Sie kündigt an, den Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit auf der Basis eines handlungsfähigen Europäischen Sozialfonds Plus aufzunehmen und sich für die Umsetzung wichtiger Elemente der Europäischen Säule Sozialer Rechte stark zu machen, darunter die Entwicklung eines EU-Rahmens für nationale Grundsicherungssysteme sowie die Kommissionsvorschläge für ein Mindestlohninstrument und für eine europäische Arbeitslosenrückversicherung. Darüber hinaus spricht sie sich für die institutionelle Aufwertung der Gleichstellungspolitik aus, begrüßt die Geschlechtergleichstellungsstrategie der Kommission und befürwortet die Ratifikation der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen durch die EU und ihre Mitglieder. Als wichtiges Forum für die künftige Ausgestaltung der EU bewertet der Ratsvorsitz die von der Kommission angeregte Konferenz zur Zukunft Europas und bekennt sich zu seiner Verantwortung, diese zum Erfolg zu führen.

IV. Ein nachhaltiges Europa

Seinen vierten Programmschwerpunkt widmet der deutsche Vorsitz einem nachhaltigen Europa und subsumiert hierunter sein Engagement für die Implementierung des European Green Deal und den Abschluss der Ratsbefassung mit dem Europäischen Klimagesetz sowie seine Unterstützung für den neuen Kreislaufwirtschaftsaktionsplan und die EU-Biodiversitätsstrategie. Er erklärt die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu seinem Leitbild und kündigt die Ratsbefassung mit dem entsprechenden Umsetzungskonzept der Kommission noch im Jahr 2020 an. Große Bedeutung misst er einer nachhaltigen Landwirtschaft bei und strebt daher eine Allgemeine Ausrichtung des Rates in den Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU 2021-2027 an.

V. Ein Europa der Sicherheit und der gemeinsamen Werte

„Ein Europa der Sicherheit und der gemeinsamen Werte“ lautet der Titel der fünften Programmsäule. Darin kündigt der Vorsitz an, auf der Grundlage des jährlichen Rechtsstaatlichkeitsberichts der Kommission sowohl einen horizontalen als auch einen länderspezifischen Rechtsstaatsdialog des Rates zu etablieren, der eine sukzessive Einzelbefassung mit allen Mitgliedstaaten innerhalb der Trio-Präsidentschaft ermöglicht. Zur Stärkung der Inneren Sicherheit spricht er sich für eine Verbesserung der grenzüberschreitenden Polizei- und Justizzusammenarbeit aus. Mit besonderer Dringlichkeit versieht er seine Anstrengungen, die ambitionierte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems voranzutreiben, um u.a. ein faires Zuständigkeitssystem zu schaffen und Sekundärmigration zu verhindern.

VI. Eine handlungsfähige Europäische Union für eine partnerschaftliche und regelbasierte internationale Ordnung

In ihrem sechsten, dem außen- und sicherheitspolitischen Programmschwerpunkt, unterstreicht die deutsche Ratspräsidentschaft die Notwendigkeit eines geeinten und kooperativen Vorgehens aller Mitgliedstaaten für eine erfolgreiche Bewältigung globaler Herausforderungen. Sie spricht sich für eine enge außen-, sicherheits- und handelspolitische Partnerschaft mit den USA aus und betont ihre Ambition, die engen Beziehungen zum Vereinigten Königreich in eine umfassende, faire und ausgewogene Partnerschaft zu überführen. Die politische Zusammenarbeit mit Afrika soll vertieft, die Europäisch-Afrikanische Agenda beim Gipfel mit der Afrikanischen Union verabschiedet werden. Die Präsidentschaft unterstützt den Ausbau der Kooperation mit China und will zugleich eine Verbesserung der Reziprozität in allen Politikbereichen erzielen. Als weitere zentrale Vorhaben benennt sie die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien, die fortgesetzte Heranführung der Staaten des westlichen Balkans an die EU, die aktive Gestaltung der Beziehungen zu Russland und die Aufwertung der EU-ASEAN-Beziehungen zu einer Strategischen Partnerschaft.

Aus Sicht der AWO ist es gerade in der Corona-Krise wichtig, dass die EU eng zusammensteht sowie gemeinsame Lösungen entwickelt und sich auf globaler Ebene für die Fortführung und Stärkung des Multilateralismus einsetzt. Dabei ist es wichtig, die aktuellen Herausforderungen anzugehen. Gleichzeitig muss der Blick in die Zukunft gerichtet sein und das Ziel einer nachhaltigeren, sozialeren und solidarischeren EU verfolgt werden. Im Fokus müssen immer jene Menschen stehen, die in unserer Gesellschaft am stärksten benachteiligt und auch von ökologischen Problemen überproportional oft und stark betroffen sind.

Mit einem Positionspapier richtet die AWO ihre Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und stellt konkrete Forderungen an die Bundesregierung. Die AWO ruft die Bundesregierung dazu auf, sich während ihrer EU-Ratspräsidentschaft für verbindliche und konstruktive Maßnahmen und Initiativen einzusetzen, damit die soziale Dimension der EU eine spürbare Stärkung erfährt. Die EU-Ratspräsidentschaft bietet zudem eine gute Gelegenheit, um die Sichtbarkeit der Europapolitik und das Vertrauen in die Strukturen der EU zu stärken. Dazu ist es notwendig, die Zivilgesellschaft über die aktuellen europapolitischen Geschehnisse zu informieren und Prozesse des zivilgesellschaftlichen Dialogs zu fördern.

Einige Forderungen der AWO finden sich in dem Arbeitsprogramm zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft wieder. So setzte sich die Bundesregierung für den Abschluss der Verhandlungen über den MFR 2021-2027 und den Aufbaufonds „Next Generation EU“ ein. Zudem stehen wichtige Initiativen im Fokus, die auch zur Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte beitragen. Die Bundesregierung möchte einen EU-Rahmen für Mindestlöhne und für Grundsätze für soziale Mindestsicherungssysteme vorantreiben. Darüber hinaus möchte die Bundesregierung die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems voranbringen.

Andere wichtige Themen werden jedoch nicht abgedeckt. Darunter ist die Stärkung der gemeinnützigen Sozialwirtschaft sowie europäische Initiativen zur Bekämpfung des Pflegemangels und zum Ausbau von sozialem Wohnbau und Zugang zu bezahlbarem Wohnraum.

Welche Erwartungen stellt die AWO an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft?

Verhandlungen des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021-2027 abschließen

Die AWO fordert die Bundesregierung dazu auf, sich für einen Abschluss der Verhandlungen über den MFR 2021-2027 einzusetzen. Bei den Verhandlungen über den MFR 2021-2027 darf es zu keinen weiteren Verzögerungen kommen. Bereits jetzt ist eine Förderlücke abzusehen, die, wenn keine Übergangslösung gefunden wird, weitreichende Konsequenzen für die Projekte der AWO und die anderen Träger der Freien Wohlfahrtspflege und damit zwangsläufig auch für die Menschen haben wird. Gleichzeitig ist eine Anpassung des Vorschlags über den MFR 2021-2027 sinnvoll, damit die Prioritäten der EU umgesetzt und die Herausforderungen der Corona-Krise bewältigt werden können. Der Vorschlag der EU-Kommission, den MFR 2021-2027 in Höhe von 1,1 Bio. Euro mit dem Aufbauinstrument „Next Generation EU“ in Höhe von 750 Mrd. Euro zu flankieren ist daher zu begrüßen. Die AWO erinnert an dieser Stelle an den Koalitionsvertrag der Bundesregierung, in dem sie sich zu höheren Beiträgen für den MFR bereit erklärt haben. Zudem muss der zukünftige MFR auf kommende Krisen noch flexibler reagieren können.

Eine Anpassung des zukünftigen MFR darf jedoch nicht dazu führen, dass bestehende beschäftigungsfördernde und soziale Förderprogramme finanziell gekürzt werden. Viele der europäischen Förderprogramme sind gut dafür geeignet, den sozioökonomischen Folgen der Corona-Krise entgegenzuwirken und Menschen in prekären Lebenslagen zu helfen. Besonders hervorzuheben sind der Europäische Sozialfonds (ESF), der Europäische Fonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) und die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen (YEI). Diese tragen zu einem sozialeren Europa bei, indem sie die Europäische Säule Sozialer Rechte umsetzen.

Im Rahmen der Verhandlungen über den MFR erwartet die AWO von der Bundesregierung, dass sie sich auch für einen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus einsetzt, welcher die Vergabe von Strukturfondsmitteln künftig von der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards abhängig macht. Damit würden Finanzmittel nicht an Mitgliedstaaten ausgezahlt werden, wenn diese die Rechtsstaatlichkeit missachten. Auch in Krisenzeiten müssen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unwidersprochene Grundpfeiler der Europäischen Union sein und geschützt werden. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass Nicht-Regierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft in den betroffenen Mitgliedstaaten nicht von EU-Finanzmitteln ausgeschlossen werden. Als Lösung wäre eine Ausschüttung von Geldern über ein europäisches Verfahren denkbar.

Die Europäische Säule Sozialer Rechte umsetzen

Die AWO fordert die Bundesregierung dazu auf, sich konsequent für die Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte einzusetzen, indem verbindliche Verordnungen und Richtlinien daraus abgeleitet werden. Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft sollte die Bundesregierung ihre Schwerpunkte dabei auf folgende Themenbereiche legen:

  • Eine verbindliche EU-Rahmenrichtlinie mit Grundsätzen für soziale Mindestsicherungssysteme. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zeigen, dass effiziente Stabilisierungsinstrumente benötigt werden, um konjunktur- und krisenbedingte Ungleichgewichte innerhalb der EU abzufedern. Um die Menschen vor Armut zu schützen, gerade in Krisenzeiten, ist es daher notwendig, die Sozialsysteme europaweit zu stärken.
  • Mit Nachdruck müssen Forderungen zurückgewiesen werden, die bestehenden Mindestlohnregelungen wegen der Coronabedingten Konjunktureinbrüche zu lockern. Vielmehr muss es einen EU-Rahmen für Mindestlöhne geben, welcher ein Mindesteinkommen auf angemessenem Niveau für alle Arbeitnehmer*innen in der EU gewährleistet und zu fairen Arbeitsbedingungen bei-trägt. Dies würde die Erwerbsarmut eindämmen und gleichzeitig die Attraktivität bisher unzureichend anerkannter systemrelevanter Berufe steigern. Darüber hinaus tragen gerechte Mindestlöhne dazu bei, die geschlechterbedingte Lücken bei Löhnen (Gender Pay-Gap) und in der Folge auch bei Renten (Gender-Pension-Gap) substanziell zu reduzieren.
  • Die europaweite Bekämpfung der Kinderarmut muss mit gemeinsamen Maßnahmen vorangebracht werden. Die Eckpunkte für eine europäische Kindergarantie, welche den Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung, unentgeltlicher Bildung, kostenlosen Betreuungseinrichtungen, angemessenen Wohnverhältnissen und geeigneter Ernährung unterstützen soll, müssen zügig konkretisiert werden.
  • Initiativen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Wichtige Faktoren wie Barrierefreiheit und Inklusion dürfen in Krisenzeiten nicht als weniger prioritär in den Hintergrund treten, sondern müssen weiter vorangebracht werden. Menschen mit Behinderungen müssen endlich als vollwertige Bürger*innen in allen Lebensbereichen die gleichen Rechte und Anspruch auf Würde, Gleichbehandlung, unabhängige Lebensführung und volle Beteiligung im gesellschaftlichen Leben haben.
  • Die Erarbeitung von Vorschlägen zur Stärkung der Initiative einer europäischen Jugendgarantie muss aktiv begleitet und unterstützt werden, damit langfristig für alle Jugendliche gleiche Chancen auf Bildung und Beschäftigung garantiert sind.
  • Initiativen zur Bekämpfung des Pflegemangels müssen europaweit gesetzt werden. Die Europäische Säule Sozialer Rechte sieht eine flächendeckende Versorgung in der Langzeitpflege vor. Diese Initiative muss mit Blick auf die demographischen Entwicklungen in Europa schneller vorangetrieben werden.
  • Initiativen, die einen allumfassenden Ausbau von sozialem Wohnbau und Zugang zu bezahlbarem Wohnraum unterstützen. So könnte es beispielsweise Ausnahmen im Beihilferecht im Bereich des sozialen Wohnbaus geben, strengere Regelungen bei Leerstand und Spekulation mit bewohnbaren Immobilien und gezielte Anreize durch entsprechende Förderungen aus dem Kohäsionsfonds.

Gemeinnützige Sozialwirtschaft in der EU stärken

Die AWO fordert die Bundesregierung dazu auf, sich für eine Stärkung der gemeinnützigen Sozialwirtschaft einzusetzen, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten und auch benachteiligte Personengruppen wirksam zu schützen und zu versorgen. Die gemeinnützige Sozialwirtschaft mit ihren sozialen Dienstleistungen erhöht die Lebensqualität europaweit, ermöglicht soziale Mobilität und trägt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Die gemeinnützigen Unternehmen der Sozialwirtschaft mit ihren vielfältigen Dienstleistungen spielen zudem bei der Umsetzung der Strukturfonds eine wichtige Rolle. Damit wird auf lokaler und auf regionaler Ebene die soziale Infrastruktur gefördert und effizient verbessert.

Sowohl die gemeinnützige Sozialwirtschaft als auch die Sozialwirtschaft insgesamt ist ein wichtiger Wachstums- und Beschäftigungsmotor in der EU. Mehr als 11 Mio. Menschen sind in der Sozialwirtschaft beschäftigt. Die Beschäftigten der Sozialwirtschaft erbringen diverse soziale Dienstleistungen und unterstützen damit europaweit Millionen Menschen aller Bevölkerungsgruppen. Dabei werden schutzbedürftige Personengruppen besonders in den Fokus genommen. Um der Sozialwirtschaft auf EU-Ebene mehr Gehör zu verschaffen, muss sie in den Sozialen Dialog auf europäischer Ebene aufgenommen werden. Dazu ist es notwendig, dass der europäische Verband der sozialen Arbeitgeber*innen (engl. „Federation of European Social Employers“) als Sozialpartner anerkannt und ein sektoraler Sozialdialog gegründet wird und so eine echte und europaweite Stärkung der Sozialwirtschaft anstößt.

Die AWO erwartet darüber hinaus von der Bundesregierung, dass sie sich für den Zugang zu wirtschaftlichen EU-Hilfsmaßnahmen für die gemeinnützige Sozialwirtschaft und ihren vielfältigen Diensten einsetzt, um auf die Corona-Krise genauso reagieren zu können wie andere Unternehmen. Sie dürfen nicht von Unterstützungsprogrammen für Unternehmen und speziell für KMU ausgeschlossen werden. Das gilt auch für Fördermittel in den Bereichen Digitalisierung und Klimaschutz. In diesen Bereichen müssen die Bestrebungen der gemeinnützigen Sozialwirtschaft mehr Unterstützung erhalten.

Einführung einer Strategie mit sozialen Zielen für ein klimaneutrales Europa

Die AWO fordert die Bundesregierung dazu auf, sich für verbindliche Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise auf EU-Ebene und die Einführung einer Strategie mit sozialen Zielen für ein klimaneutrales Europa einzusetzen. Die Erreichung eines klimaneutralen Europas ist eine der wichtigsten Aufgaben der EU in den kommenden Jahrzehnten. Dazu sind weitreichende Strategien und Maßnahmen notwendig, die einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel anstoßen. Es muss sichergestellt werden, dass dieser Wandel sozial und gerecht gestaltet wird, denn nur so werden alle Menschen bei diesem tiefgreifenden Wandel mitgenommen.

In ihrem Arbeitsprogramm 2020 schlägt die Europäische Kommission vor, mit dem „neuen grünen Deal“ eine Wachstumsstrategie zu initiieren, mit dem Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. In einer solchen Wachstumsstrategie sollten ökologische und soziale Ziele zwingend zusammen gedacht werden. Nur so kann eine echte sozialökologische Transformation gelingen. Die Bundesregierung sollte sich zum einen dafür einsetzen, das Klimaziel von 2030 ambitionierter zu gestalten, und zum anderen dafür, die Grundsätze der Säule und die Ziele der UN-Nachhaltigkeitsstrategie in die neue Strategie zu integrieren. Ihr Erreichen sollte über das Europäische Semester überwacht werden.

Solidarisches und faires Europäisches Asylsystem schaffen

Die AWO fordert die Bundesregierung dazu auf, sich für eine gemeinsame europäische Asylpolitik mit einem solidarischen und fairen Europäischen Asylsystem einzusetzen, welches von allen Mitgliedstaaten konsequent umgesetzt wird. Nach geltendem Recht muss jeder schutzbedürftige Mensch Zugang zu einem fairen Asylverfahren haben. Grenzschließungen und Push-Backs an den EU-Außengrenzen sind nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Auch in Krisenzeiten muss das Recht auf ein faires Asylverfahren für schutzbedürftige Menschen durch die EU-Aufnahmeländer gewahrt und durchgesetzt werden.

Eine umfassende Reform des europäischen Asylsystems setzt die vollständige Herstellung eines Konsenses über gemeinsame Ziele, faire Verantwortungsteilung und Grundwerte wie Flüchtlingsschutz, Achtung der Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit voraus. Dies gilt auch für die Rettung auf hoher See. Seenotrettung ist Pflicht! Die Auslagerung des Asylrechts auf Nachbarstaaten der EU bedeutet die Auslagerung gemeinsamer Verantwortung.

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