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10.11.2017 | Pressemitteilung

Für den Fortbestand des Zugangs zum individuellen Asylrecht!

Von: Mona Finder

 

Die unterzeichnenden zivilgesellschaftliche Organisationen sind in großer Sorge um den Zugang zum individuellen Asylrecht in Europa.

Die Logos von AWO Bundesverband, Diakonie, Amnesty International, Neue Richtervereinigung, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Pro Asyl,  Jesuiten-Flüchtlingsdienst

Gegenwärtig wird in Brüssel die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhandelt. Gleichzeitig finden in Deutschland Sondierungen für eine mögliche Jamaika-Koalition statt. Wir appellieren vor diesem Hintergrund an die Parteispitzen von CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, dafür zu sorgen, dass sich die Bundesregierung  bei den kommenden EU-Ratsverhandlungen für den Erhalt der bisher geltenden völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und europarechtlichen Standards einsetzt.

Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz – auch in Europa. Weder das Grundgesetz noch die Genfer Flüchtlingskonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention lassen eine Obergrenze zu.

Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz – auch in Europa. Weder das Grundgesetz noch die Genfer Flüchtlingskonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention lassen eine Obergrenze zu.

AWO, Diakonie, Amnesty International, Neue Richtervereinigung, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Pro Asyl, Jesuiten-Flüchtlingsdienst

Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht, vermehrt legale Zugangswege für Schutzsuchende nach Europa zur Verfügung stellen zu wollen. Nur wenn diese tatsächlich in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, wird das Sterben entlang der Fluchtrouten reduziert werden können. Legale Zugangswege dürfen aber nicht anstelle des individuellen Zugangs zu Schutz in Europa stehen, sondern müssen diesen ergänzen. Die aktuellen Bemühungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sowie die Bestrebungen, die Zahl der nach Europa einreisenden Schutzsuchenden zu begrenzen, dürfen aus unserer Sicht nicht zu einer Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in die ohnehin schon überbelasteten Krisen- und Transitstaaten führen.

Vor diesem Hintergrund fordern wir, folgende Aspekte besonders zu berücksichtigen:

1. Keine Absenkung von Schutzstandards bei der Definition sicherer Drittstaaten außerhalb der EU

Im Rahmen der aktuellen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems werden die Voraussetzungen diskutiert, unter denen Menschen auf einen Schutz außerhalb der EU verwiesen werden dürfen (sog. sicherer Drittstaat oder erstes Asylland). Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems darf jedoch in keinem Fall dazu führen, dass  die Standards der Schutzgewährung abgesenkt werden. Der Verweis auf sog. sichere Drittstaaten darf deshalb – entsprechend den UNHCR-Kriterien – wenn überhaupt nur erfolgen, wenn dort effektiver Zugang zu Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention gewährleistet ist und die Schutzsuchenden eine tragfähige Verbindung zu dem jeweiligen Drittstaat haben. Hierfür reicht der Transit ebenso wenig aus wie die Sicherheit in einem Teilgebiet des Staates. Kritisch sehen wir daher die aktuellen Bestrebungen, die Anforderungen, wann ein Drittstaat als sicher anzusehen ist, zu senken. So soll nur noch die Möglichkeit ausreichen, einen anderweitigen Schutz „im Einklang“ mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zu erlangen, der Schutz und die Flüchtlingsanerkennung auf Grundlage der GFK wären in dem betreffenden Staat dann nicht mehr erforderlich.

2. Zugang zum inhaltlichen Asylverfahren sicherstellen

Mit den Plänen der EU-Kommission im EU-Recht, flächendeckend und verpflichtend sogenannte Zulässigkeitsverfahren dem eigentlichen Asylverfahren vorzuschalten, wird der Zugang zum Asylrecht in Europa deutlich erschwert, so wie es jetzt bereits durch das EU-Türkei-Abkommen praktiziert wird. Individuelle Fluchtgründe werden nach einer Unzulässigkeitsentscheidung nicht mehr geprüft, Familienzusammenführungen werden massiv erschwert und die EU-Staaten an den Außengrenzen noch mehr als bisher überfordert. Es droht die Zurückschiebung in Staaten wie die Türkei, die sich immer weiter von rechtsstaatlichen Verhältnissen entfernt. Die zwingende Einführung von vorgeschalteten Zulässigkeitsverfahren an den EU-Außengrenzen muss ebenso unterbleiben wie der Abschluss von Migrationsabkommen mit Transitstaaten, die die Einhaltung von Flüchtlings- und Menschenrechten nicht tatsächlich gewährleisten.

3. Keine Verschärfung der bestehenden Dublin-Verordnung

Die Regelungen der Dublin-III-Verordnung dürfen nicht weiter verschärft werden. Nach dem aktuellen Verhandlungsstand  soll die Zuständigkeit der Ersteinreisestaaten auf 5 bis 10 Jahre verlängert  oder sogar für immer aufrechterhalten werden. Die bisher geltende sechsmonatige Überstellungsfrist soll gestrichen werden. Dadurch besteht die Gefahr, dass in vielen Fällen kein Asylverfahren durchgeführt wird und die Fluchtgründe inhaltlich nicht geprüft werden. Randstaaten der EU würde noch stärker als bisher die Verantwortung für das Asylverfahren aufgebürdet. Die Betroffenen werden recht- und schutzlos gestellt. Ob und welchen Status sie dann in Deutschland haben, ist vollkommen ungeklärt, da das bisher vorgesehene Selbsteintrittsrecht des Mitgliedsstaats entfallen soll. Ihnen stünden nach Plänen der Kommission keine Sozialleistungen, nur medizinische Notleistungen zu. Bisher werden nur rund 15% der Dublin-Fälle von Deutschland tatsächlich überstellt. Sollte die oben dargestellte Regelung in Kraft treten, wird dies dazu führen, dass zehntausende Schutzsuchende in der Illegalität leben oder ein Leben im Elend auf der Straße führen werden.

Mit der Umgestaltung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, wie sie derzeit geplant ist, geht ein gravierender Systemwechsel einher. Es geht gegenwärtig um die Grundlagen des Zusammenlebens in Deutschland und in Europa.

Wir fordern, alles dafür zu tun, dass auch weiterhin in Deutschland und in der  EU eine Flüchtlingspolitik auf Basis der Menschenrechte, der EU-Grundrechtecharta, der EMRK, des internationalen Flüchtlingsrechts und selbstverständlich auch entsprechend den Werten und Normen des Grundgesetzes verfolgt wird. Deutschland und die EU sind historisch und rechtlich in der Verpflichtung und als eine der reichsten Regionen der Welt auch in der Lage, diese Rechte umzusetzen. Sie dienen vielen weiteren Regionen als Maßstab.

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